Hochwertige Garne in Südwales

Ein guter Ort, um die Fäden der walisischen Woll-Tradition aufzunehmen, ist der Südosten. Bereits im Mittelalter wurde hier hochwertiges walisisches Garn zur Grundlage einer florierenden Wollindustrie. Zisterzienserklöster wie Tintern, Margam und Neath – nur einige der eindrucksvollsten mittelalterlichen Klosterruinen des Landes – spielten eine entscheidende Rolle, den Ruf der walisischen Wolle in ganz Europa zu etablieren.

Das St Fagans National Museum of History bei Cardiff – eines der bedeutendsten Freilichtmuseen Europas – zeigt die Geschichte von Wales auf eindrucksvolle Weise anhand originaler Gebäude, die sorgfältig von ihren ursprünglichen Standorten hierher in die bewaldete Parklandschaft versetzt wurden. Dazu gehört auch die Esgair Moel Woollen Mill. Ursprünglich 1760 in Powys erbaut, zu einer Zeit, als die Wollindustrie zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Wales zählte, ist die Mühle bis heute ein lebendiger Ort: Ein Weber demonstriert den gesamten Herstellungsprozess – vom Waschen über das Färben, Kämmen und Spinnen bis hin zum Weben. Und das beste: Die maßgefertigten Erzeugnisse sind im Museumsshop erhältlich!

Bevor die Wollherstellung industrialisiert wurde und bevor sie überhaupt mit einem Spinnrad erfolgte, war das sogenannte „Drop Spinning“ die gängige Methode. Dabei wird der Faden an einer hängenden Spindel befestigt, deren beschwertes Rad sie langsam nach unten zieht und so die Wolle spinnt. Diese Technik wird ebenfalls im St Fagans Museum gezeigt, meist im rekonstruierten llys, dem königlichen Hof des legendären walisischen Prinzen Llywelyn ab Iorwerth.

Mutterschaf und Lamm sitzen auf Stroh im Stall.
Frau, die ein Lamm mit einer Flasche füttert.

Llwyn-yr-eos Farm, St Fagans, Südwales

Ammonite Yarns in Pontyclun bei Bridgend betreibt Aufklärungsarbeit. Hier wird gezeigt, was mit der Wolle bei ihrer Verarbeitung passiert. Denn ihrer Erfahrung nach, machen sich die Menschen häufig zu wenig Gedanken über die Herkunft der Wolle und den Entstehungsprozess der Wollwaren. Das Unternehmen verwendet bevorzugt britische Wolle von kleinen Produzenten und ist zugleich Laden, Schaufenster für britische Garne und Anbieter von Workshops rund ums Stricken, Häkeln und Spinnen.

Das Herz der walisischen Wollproduktion

Obwohl der Ursprung der walisischen Wolle größtenteils im Südosten des Landes liegt, verlagerte sich die Wollherstellung mit dem Aufkommen der Textilindustrie zunehmend nach West-, Mittel- und Nordwales.

Wer sich in der komplexen Geschichte der walisischen Wolle verheddert hat, findet im National Wool Museum in Dre-Fach Felindre im nördlichen Carmarthenshire, Klarheit. Das (kostenlose) Museum befindet sich im eleganten ehemaligen Hauptsitz der Cambrian Mills aus der Zeit um 1900 und führt Besucher durch die verschiedenen Schritte der walisischen Wollproduktion – vom Vlies bis zum fertigen Stoff. Man kann zusehen, wie Wolle auf traditionellen Maschinen verarbeitet wird und traditionelle Techniken wie das Kardieren (Glätten und Vorbereiten der Wollfasern) und Spinnen selbst ausprobieren.

Schon der Name Dre-Fach Felindre – ‚Felindre‘ bedeutet auf Walisisch ‚Mühlenstadt‘ – zeigt, wie tief die Welt der Wolle in der walisischen Identität verwurzelt ist. Begriffe wie ‚Felindre‘, ‚Pandy‘ (Walkmühle) und ‚Melin‘ (Mühle) finden sich heute in den Namen vieler Orte in ganz Wales. In dieser südwestlichen Ecke von Wales gab es in den 1890er-Jahren allein 325 Wollmühlen – zu einer Zeit, als die Gesamtbevölkerung von Wales bei etwa zwei Millionen lag. Das ist eine beeindruckende Menge Wolle pro Person!

Junge und Mädchen, die eine große Menge Wolle vor sich halten.
Junge lernt, wie man einen traditionellen Webstuhl benutzt.

National Wool Museum, Carmarthenshire, Westwales

Wer sich in Richtung Fishguard begiebt, kann die am längsten durchgehend betriebene Wollmühle in Wales besuchen: Melin Tregwynt. Sie zählt außerdem zu den fotogensten Mühlen des Landes. In einem weiß gestrichenen Gebäude, umgeben von einem kleinen Wald, wird hier seit ca. 1841 Wolle verarbeitet. Besucher können beim Weben zusehen, im Café mit idyllischem Garten hausgemachte Kuchen genießen und im Shop einige der bekannten Wollprodukte der Mühle erwerben. Melin Tregwynt war im Laufe der Jahre an einigen spannenden Projekten beteiligt – darunter dem Weben der größten Picknickdecke der Welt, ein Guinness-Weltrekord!

Bachlauf und Gebäude von Melin Tregwynt.
Mann, der an einer Wollmaschine arbeitet.

Mühle Melin Tregwynt, Haverfordwest, Westwales

Vom Schaf zur Schaufenstermode

Wer der langen, kurvenreichen Straße zurück nach Osten durch Mittelwales folgt, wird mit wolligen Überraschungen belohnt. Im ruhigen Tregaron, am Fuße der Cambrian Mountains, zeigt Jane Beck Welsh Blankets zwei Jahrhunderte walisischer Wolltradition: durch Webmuster und Wollprodukte, die einst modisch waren und heute wieder im Trend sind. Ob Sie nach einer Bettdecke im Entenei-Blau-Kastanienbraun-Karomuster aus den 1930er-Jahren suchen oder ein handgewebtes Schokoladen-und-Crème-Kissen aus dem 19. Jahrhundert – hier erfährt man, wie sich Wollmode im Laufe der Zeit verändert hat und natürlich kann man ein Stück walisischer Textilgeschichte mit nach Hause nehmen.

Ein Abstecher zur Aberhyddnant Organic Farm lohnt sich allemal! Die idyllisch gelegene, knapp 90 Hektar große Schaffarm im Bannau Brycheiniog (Brecon Beacons) Nationalpark bringt Sie ganz nah an die wolligen Wesen heran, die Wales mit ihren flauschigen Fellen versorgen. Normalerweise flüchten Schafe, wenn man ihnen zu nahe kommt – aber nicht diese Herde! Bei Jacob Sheep Trekking kann man mit einem Schaf gemütlich über das Gelände spazieren und unter fachkundiger Anleitung sogar selbst zur Schere greifen. Wer länger bleiben möchte, kuschelt sich in eines der beiden Ferienhäuser der Aberhyddnant Farm und kann so das Leben auf einer traditionellen walisischen Schaffarm rund um die Uhr hautnah erleben.

Weiter nördlich in der Grafschaft Powys war die Stadt Newtown einst Standort der Fabrik von Modedesignerin Laura Ashley – ein Muss für alle, die Stoffe lieben. Das Newtown Textile Museum gehört zu den besten erhaltenen Beispielen eines typischen Webshops aus dem frühen 19. Jahrhundert und erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall der Wollproduktion in Newtown. Jede Produktionsstufe und Epoche der Wollverarbeitung wird erklärt – vom handgesponnenen Garn über Webstuhlwolle bis hin zur Versandwolle, die vom gebürtigen Newtowner Unternehmer Pryce Pryce-Jones erfunden wurde.

Modelle eines Mannes und einer Frau, die mit Maschinen weben.
blanket on weaving machine, with man weaving in background.

Newtown Textile Museum, Newtown, Mittelwales

Der wollige Weg zum Gipfel des Yr Wyddfa (Snowdon)

Auch Nordwales war einst ein Zentrum der Wollproduktion: Die Gebirgsbäche, die aus den Bergen des Eryri (Snowdonia) Nationalparks in Tal strömten trieben zahlreiche Mühlen an. Zwei der heute noch erhaltenen Mühlen befinden sich in spektakulärer Lage und sind echte Highlights. In Trefriw, ein Dorf nahe des idyllischen Fairy Falls-Wasserfalls, befindet sich die seit 1859 familiengeführte Trefriw Woollen Mills und somit eine der am längsten durchgehend betriebenen Wollmühlen in Wales. Hier dreht sich alles um walisische Muster: Es werden doppelt gewebte Stoffe mit beidseitig verwendbaren Mustern und den traditionellen geometrischen walisischen Motiven hergestellt. Der Laden gehört wirklich zu den besten Adressen für klassische walisische Stoffdesigns. Sie können außerdem die Wasserturbine aus den 1940er-Jahren bestaunen, die die Maschinen der Mühle antreibt. Kurz bevor die A470 steil über die Berge Richtung Dolgellau am südlichen Tor zu Eryri führt, wartet eine weitere malerische Wollmühle: Melin Meirion, zwischen Mallwyd und Dinas Mawddwy. Im angrenzenden Laden finden Sie eine große Auswahl an Garnen von britischen Schaf- und Alpakaarten.

Abgesehen von den Schafen, die seine Hänge zieren hat der Yr Wyddfa (Snowdon) seit 2025 selbst eine neue Verbindung zur Wolle: In Anlehnung an eine Technik, die schon die Römer für ihre berühmten Straßen nutzten, wurde einer der Wanderwege auf den höchsten Berg in Wales und England mit Vliesmaterial von Welsh Mountain-Schafen aufgewertet – damit der Pfad nicht zu matschig wird.

Wolle in Wales – ein Kreislauf mit Tradition!

A weaver working on a weaving Ein Weber arbeitet an einem Webstuhl und stellt traditionelle walisische geometrische, bunte Stoffe her. loom making traditional Welsh geometric colourful fabrics
Bunte walisische Webwaren auf einem Stuhl und einem Fass
Traditionelle walisische Tapisserie-Tagesdecke, Überwürfe und Kissen, die auf einem Bett präsentiert werden.

Mühle Trefriw Woollen, Conwy Valley, Nordwales

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