Südwales: Grabstätten, zeremonielle Steine und Höhlenrituale
Um sich auf die Spuren der prähistorischen Vergangenheit von Südwales zu begeben, muss man sich ein kleines Stückchen aus Cardiff hinauswagen. Die Tinkinswood Grabkammer befindet sich auf einer waldgesäumten Wiese in der Nähe des Freilichtmuseums St. Fagans National Museum of History. Die Grabkammer ist eine der eindrucksvollsten Stätten ihrer Art in ganz Großbritannien. Vor 6.000 Jahren errichtet, wurden hier bei Grabungen Überreste von etwa 50 Personen freigelegt. Gekrönt wird die neolithische Grabkammer von einem der vermutlich größten Decksteine Großbritanniens: einer 7,25 Meter langen und 40 Tonnen schweren Platte.
Gräber wie dieses – bestehend aus einer Reihe aufrechter Steine, die einen horizontal liegenden Deckstein auf ihren Spitzen tragen – werden in Wales als „Cromlech“ bezeichnet. Durch ein Labyrinth von Feldwegen gelangt man zu einem anderen spektakulären und ebenso alten Cromlech, der St. Lythan Grabkammer ganz in der Nähe. Dieses Grab wurde so errichtet, dass die Sonne zur Tagundnachtgleiche durch den Eingang scheint.
Unter den Megalithen in Südwales befinden sich einige äußerst bekannte, aber auch nahezu unbekannte Stätten. Einer der berühmteren ist der Rocking Stone von Pontypridd Common. Diese gewaltige Felsbrocken, der aus der letzten Eiszeit stammt, war in den vergangenen Jahrhunderten ein beliebter Ort für Versammlungen und wurde im viktorianischen Zeitalter mit einem Steinkreis umschlossen.
Ein unbekanntes Juwel, Carn Llechart in den Hügeln oberhalb von Pontardawe, ist auf den meisten Karten nicht einmal eingezeichnet. Es wird vermutet, dass es sich hierbei um einen Steinkreis oder eine ähnliche Art prähistorischer ritueller Begräbnisstätten handelt. Der als Ring Cairn bekannte Ort befindet sich in einem hervorragenden Erhaltungszustand auf dem Moorabschnitt der zauberhaften Cwm Clydach Wanderung: ein besonders geheimnisvoller Ort.
Prähistorische Kolosse in Westwales
Die Halbinsel Gower wurde als erstes Gebiet von außerordentlicher Naturschönheit (AONB) im Vereinigten Königreich ausgezeichnet. Sie steckt voller alter Geschichte. Die erste bekannte rituelle Bestattung in Europa und damit die allererste Spur des Homo sapiens in Wales fand in der Paviland-Höhle statt, an einem zerklüfteten, von Buchten gesäumten Küstenabschnitt in der Nähe von Rhossili und Worm's Head. Kurioserweise entpuppte sich die „Red Lady of Paviland“, die ursprünglich für die Überreste einer römischen Frau gehalten wurde, als ein junger männlicher Jäger und Sammler aus der letzten Eiszeit vor etwa 34.000 Jahren.
Unsere Vorfahren im megalithischen Wales waren kreativ: In der Cathole Höhle im Parc Le Breos ist ein Rentier eingraviert, das als älteste britische Felskunst gilt und mindestens 14.000 Jahre alt ist. Die Höhle und die Grabkammer von Parc Le Breos kann man gut auf einem kleinen Spaziergang (2,2 km) vom Gower Heritage Centre aus entdecken.
Im Südwesten ist die Küste von Pembrokeshire ohne Frage der große Star, doch auch das weniger bekannte Hochland im Landesinneren hat einiges zu bieten, wenn es um Überreste der walisischen Steinzeit geht.
Eine Wanderung entlang der einsamen Preseli Hills führt zu einigen der sehenswertesten Orte: Die Golden Road, vermutlich Teil einer ehemaligen Handelsroute, auf der das in den irischen Wicklow Mountains abgebaute Gold transportiert wurde, ist eine knapp elf Kilometer lange Wanderung durch die prähistorische Geschichte mit vielen eindrucksvollen antiken Stätten.
Beginnen Sie die Wanderung in der Nähe des Grabhügels Foel Eryr aus der Bronzezeit und des augenförmigen Steinkreises Bedd Arthur, einem der vielen Orte in Wales, die mit der Grabstätte von König Artus in Verbindung gebracht werden., bevor Sie die Tour mit der Besteigung der Hügelfestung Foel Drygarn aus der Eisenzeit beenden. Die gesamte Gegend spielt in der Artus-Sage eine wichtige Rolle: Im Mabinogion, einer Sammlung mittelalterlicher walisischer Erzählungen, liefern sich König Artus und seine Ritter am Cwm Cerwyn ein heftiges Gefecht mit einem Wildschwein. Die verstreuten Felsen am Cerrigmarchogion sollen der Legende nach die Gräber der Opfer sein! In der Nähe des Startpunkts der steinigen Strecke markiert eine Gruppe aus einem stehenden und drei umgestürzten Steinen bei Waun Mawn den Standort eines der größten neolithischen Steinkreise im Vereinigten Königreich.
Die Preseli Hills bilden auch die Kulisse für eine der größten und sagenumwobensten Grabkammern von Wales: Pentre Ifan. Der Blickfang ist die prekäre Art und Weise, in der der gewaltige, 5 m lange Deckstein auf seinen steinernen Stützen zu balancieren scheint – es sieht aus wie eine uralte optische Täuschung – obwohl er hier seit 5.000 Jahren ohne Probleme thront!
Wer ganz in die Eisenzeit eintauchen möchte, sollte sich Zeit für das letzte Kapitel der Megalithkultur nehmen, die von etwa 800 v. Chr. bis zur Ankunft der Römer andauerte. Dazu ist noch nicht einmal eine anspruchsvolle Wanderung erforderlich. Stattdessen kann man das Eisenzeitdorf Castell Henllys am Rande von Preseli besuchen, wo Rundhäuser (typische eisenzeitliche Behausungen) genau an der Stelle rekonstruiert wurden, an der sie einst vor zwei Jahrtausenden standen. (Der einzige Ort im Vereinigten Königreich.) Kostümierte Menschen vermitteln ihr Wissen über den eisenzeitlichen Demetae-Stamm, der einst in diesem Teil von Wales lebte, und demonstrieren das Handwerk und die Aufgaben des täglichen prähistorischen Lebens.
Mittel- und Nordwales: Gewaltige Hügelfesten, kuriose Kreise und Minen aus der Bronzezeit
Die Bergregionen in Mittel- und Nordwales bilden die Kulisse für einige besonders eindrucksvolle Bauwerke. Unterhalb von Pen y Fan im Bannau Brycheiniog (Brecon Beacons) Nationalpark befindet sich auf dem Glanusk Estate der berühmte Penmyarth Fish Stone: Mit einer Höhe von 4,50 Metern ist er der höchste Menhir in Wales. Da es sich um ein privates Anwesen handelt, muss für den Zugang eine Erlaubnis eingeholt werden: Wenn Sie in einer der Unterkünfte des Anwesens übernachten, können Sie einen morgendlichen Spaziergang zu den Megalithen machen und den Fish Stone besuchen.
Nordwales wird auf beiden Seiten von zwei riesigen Hügelfesten flankiert: Tre'r Ceiri auf der Halbinsel Llŷn thront auf einer von Felsbrocken übersäten Bergkuppe in 488 m Höhe. Sie ist vielleicht die am besten erhaltene Feste in ganz Großbritannien. Die Überreste zahlreicher Wälle, Rundhäuser und Eingänge, die einen guten Einblick in das Leben der späten Eisenzeit geben, sind deutlich zu erkennen. Tre'r Ceiri wurde während der römischen Besetzung bis ins vierte Jahrhundert n. Chr. weiter als Hügelkastell genutzt.
Im Osten der Clwydian Range sind mehrere der höchsten Gipfel von Hügelfestungen gekrönt. Die größte Feste von Wales, auf dem Gipfel des Penycloddiau, erstreckt sich über knapp 20 Hektar: Sie wurde zwar in der Eisenzeit errichtet, aber es wurden auch Werkzeuge aus der Bronzezeit gefunden. Dies verdeutlicht, dass solche Monumente für viele Völker über viele Epochen hinweg wichtig waren.
Der Preis für die surrealste prähistorische Sehenswürdigkeit geht an die bronzezeitliche Kuriosität Bryn Cader Faner. Dieser ungewöhnliche Steinkreis oder Ringsteinhaufen befindet sich in einem fruchtbaren Gebiet mehrerer megalithischer Stätten in hügeligem Gelände östlich von Talsarnau bei Harlech. Das Merkwürdigste ist seine Form, die einer Dornenkrone ähneln soll, mit einem Felshügel, der von stehenden Steinen umgeben ist, die sich alle nach außen neigen. Aus der Ferne sieht es ein wenig aus wie das Rückgrat eines riesigen neolithischen Igels!
Moel ty Uchaf ist einer der eindrucksvollsten Steinkreise von Wales. Der Kreis bestehend aus 41 Steinen steht auf einem grasbewachsenen Hügel in den abgelegenen Berwyn Mountains, mit herrlichem Panorama des Dee Valleys.
Der charmante viktorianische Badeort Llandudno bietet neben Strandvergnügen auch eine weitaus ältere Sehenswürdigkeit. Bergleute aus der Bronzezeit gruben auf der Landzunge Great Orme unterirdische Gänge, um Kupfer zu gewinnen, was bemerkenswert ist, da die Ausgrabungen mit einfachen Knochen- und Steinwerkzeugen durchgeführt wurden. Heute sind die Great Orme Mines die ältesten, der Öffentlichkeit zugänglichen, Metallminen der Welt, die bereits vor 3500 bis 4000 Jahren in Betrieb genommen wurden.
Die Insel Anglesey ist ein hervorragender Ort für den Abschluss der Reise durch das prähistorische Nordwales. Die Archäologie der Insel zeichnet sich durch eine große Anzahl von zeremoniellen Grabkammern aus. Die faszinierendste, Bryn Celli Ddu, zählt zu den außergewöhnlichsten Ganggräbern Großbritanniens. Zur Ästhetik trägt bei, dass diese teils neolithische, teils bronzezeitliche Stätte immer noch von einem Torfhügel bedeckt ist: Viele dieser Gräber waren ursprünglich in ähnlicher Weise bedeckt, doch die meisten sind es heute nicht mehr. Ein 8,50 m langer Durchgang führt durch den Hügel zu einer in Stein eingefassten Grabkammer, deren Rückwand nach außen hin offen ist. Die beste Zeit für einen Besuch ist der Morgen des Mittsommertages, wenn die aufgehende Sonne mit einem Lichtstrahl durch den Gang in die Grabkammer scheint: megalithische Magie.