Papageientaucher stürzen sich über Klippen in die Tiefe, Burgruinen stehen majestätisch auf Felsvorsprüngen und grasgrünen Hügeln. Gelegentlich grüßen die Insassen entgegenkommender Oldtimer-Bullis auf den Straßen der über 2.000 Kilometer langen Küstenlinie.

Manchmal fühlt sich so ein Camping-Trip durch Wales wie eine kleine Zeitreise an. Auf jeden Fall ist er tiefenentspannt. Das wellige Grün der Landschaft wirkt beruhigend und friedlich, die Seele befreiend. Allzu überlaufen ist es auch nicht, und so rollt es sich gechillt durch die Gegend. Wir haben mit Camping-Enthusiast Tom Jutzler über seine grünen Wochen in Wales gesprochen.

Ein Papageientaucher mit ausgebreiteten Flügeln im Flug vor blauem Himmel
Luftaufnahme der Burg mit Blick übers Meer.

Papageientaucher auf Skomer Island, Pembrokeshire und Llansteffan Castle, Carmarthenshire, Westwales

Käsecracker statt Fitnesstracker – entschleunigen bitte!

Tom, wie war deine erste Begegnung mit Wales?

Bei unserer ersten Tour nach Wales sind wir mit dem eigenen Van über England angereist. Erste Station war ein lauschiger Campingplatz an der walisisch-englischen Grenze, in der Nähe der Llanthony Priory, am Rand von Bannau Brycheiniog, dem Brecon Beacons Nationalpark. Noch bevor wir unser Lager errichtet hatten, machten wir einen Spaziergang in den umliegenden Hügeln. Bauernhöfe mit ihren Feldern wechseln sich mit kleinen verwunschenen Wäldchen ab. Wir wateten durch einen glasklaren Bach und deckten uns in einem Hofladen mit frischem Brot, selbstgemachten Käsecrackern und Schinken ein.

Bannau Brycheiniog (Brecon Beacons) ist ein beliebtes Ziel für Camper, die viel Natur genießen möchten. Der englische Name leitet sich von der Bezeichnung Beacons, also Feuerzeichen, ab. Die Berge dienten früher als Orientierungspunkt und als Signalgeber für die Bevölkerung, insbesondere während der Kriegszeiten. Feuer wurden auf den Gipfeln entfacht, um Botschaften zu übermitteln und die Bevölkerung zu warnen. Brecon ist der Name des Marktstädtchens, das sich am nördlichen Rand des Parks befindet. Der Park bietet atemberaubende Landschaften, einschließlich Bergen, Flüssen und Wäldern.

Es gibt viele Campingplätze in der Region, die sich perfekt für Wanderer und Kletterer eignen. Ja, tatsächlich! Es gibt mehrere Orte in Bannau Brycheiniog (Brecon Beacons), an denen man klettern kann. Sowohl Sportkletterrouten als auch traditionelle Routen, die für erfahrene Kletterer geeignet sind, warten auf dich. Auch wenn es nicht die Alpen sind, die Berge sind hier herausfordernder als erwartet! Ist das Wetter nicht perfekt, gibt es Kletterhallen und Anbieter von Kletterkursen in der Umgebung.

Eine Besonderheit in Wales sind die Dark Sky Reserves. Sie bieten eine einzigartige Möglichkeit, die Schönheit des Nachthimmels in unberührter Natur zu beobachten, und sind über das ganze Land verteilt. Das größte und bekannteste ist das Brecon Beacons Dark Sky Reserve, das im Februar 2013 zur ersten Dark Sky Reserve Großbritanniens ernannt wurde.

Blick auf Brecon Beacons Nationalpark.
Steinerne Bögen einer Klosterruine auf grünem Rasen und einer Bergkette im Hintergrund.

Bannau Brycheiniog, Geo Park Brecon Beacons und Llanthony Priory, Mittelwales

Wo Berge zum Spielplatz und Regen zum Wellness-Programm werden

Wird es irgendwo noch bergiger als in den Breacon Beacons?

Allerdings! Eryri (Snowdonia) im Nordwesten ist wohl der bekannteste Nationalpark in Wales, mit zwei Gipfeln über 1000 Meter. Der höchste ist mit 1085 Metern der Yr Wyddfa (Snowdon). Er ist umgeben von mehreren Bergseen, an denen es tolle Stellplätze für Camper gibt. Den wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Unglaublich, wie wild die Landschaft hier ist! Mit tanzenden Scheibenwischern steuerten wir auf den Yr Wyddfa zu. Vom Gipfel war kaum etwas zu sehen. Nieselregen soll ja gut für den Teint sein. Walisische Wellness! Aber Wales wäre nicht Wales, wenn das Wetter nicht innerhalb von Minuten umschlagen würde: Die Wolken schoben sich auseinander und gaben der Sonne ein paar Öffnungen frei, um die Flanken des Yr Wyddfa strahlen zu lassen. Gigantisch.

Der Park hat wirklich spektakuläre Aussichtspunkte. Immer wieder kann man an einem See anhalten und pausieren. Der Van steht mit der Schnauze in Richtung See, und im Hintergrund erhebt sich mächtig ein Felsriese. Wenn man sich an diesen Rast-Orten etwas kocht, ist das einfach nur cool! Oder einfach Kaffee machen und den Blick schweifen lassen. Übernachten kann man dann etwa rund um den See Llyn Ogwen oder entlang des Ufers des Llyn Gwynant – da gibt es mehrere tolle Campingplätze.

Mit seinen rauen Bergen und den zahlreichen Wanderwegen bietet der Park unvergessliche Erfahrungen. Klettern, Wandern, Biken, Paddeln, alles geht hier.

Eine Liste toller Campingplätze gibt es auf der Website von Visit Wales.

Camping in Nantgwynant, north Wales,
Blick auf eine abschüssige, kurvige Straße mit Bergen im Hintergrund.

Camping in Nantgwynant und Straße im Eryri (Snowdonia) Nationalpark, Nordwales

Von Schafen umzingelt

Wie ging es vom Nationalpark Eryri (Snowdonia) aus weiter?

Keine Tankfüllung entfernt liegt die Halbinsel Llŷn. Die Landschaft ist geprägt von kleinen Dörfern und Feldern. Hier sind wir ununterbrochen an Schafherden vorbeigefahren. Die Macher von „Shaun das Schaf“ müssen sich hier ihre Inspiration geholt haben!

Sehenswert ist die schmale Landzunge Porthdinllaen, an der sich die wenigen Häuser direkt an den Strand schmiegen. Und wenn man schon in der Gegend ist, sollte man sich die Wanderung zur Spitze der Halbinsel nicht entgehen lassen. Die Irische See ist hier besonders wild. Wir haben im kleinen Ort Aberdaron einen tollen winzigen Camping-Stellplatz gefunden. Mit irrem Blick aufs Meer! Wenn man da so im Aufstelldach liegt und über das buschige Dünengras in die Ferne schaut, in die Dämmerung über dem Meer, stellt sich unweigerlich ein Gefühl von seliger Freiheit ein.

Blick auf Porthdinllaen, Nefyn, Halbinsel Llyn, Nordwales

Wo die Füße müde und die Insta-Feeds voll werden

Von den Bergen im Inland zur Küste. Was ist besser?

Wenn man Wales besucht, muss man unbedingt beides machen! Unter dem Namen Wales Way sind besonders schöne Strecken ausgeschildert. Es ist ein Netz, das aus drei nationalen Routen besteht: dem North Wales Way, dem Cambrian Way und dem Coastal Way. Der Cambrian Way führt mitten durch das Herz von Wales und durchquert sowohl die Brecon Beacons als auch den Nationalpark Eryri (Snowdonia). Die beiden anderen verlaufen eher entlang der Küste.

Der North Wales Way ist zugegebenermaßen ein Highlight. Ein Mix aus Burgen, Steilklippen, prähistorischen Stätten, Sandstränden und kleinen Landsträßchen.

Der Weg beginnt an der Grenze zu England, auf der Höhe von Chester. Er folgt einer alten Handelsstraße und führt vorbei an Conwy und Bangor. Die Strecke endet in Holyhead auf der Insel Anglesey. Eine der Attraktionen, die man auf dem Weg besuchen kann, ist die mittelalterliche Burg Conwy. Die Burg, die von König Edward I. im 13. Jahrhundert erbaut wurde, ist ein beeindruckendes Beispiel für die mittelalterliche Architektur des Landes.

Ein weiteres Highlight ist die Besichtigung der historischen Stadt Caernarfon, bekannt für das Caernarfon Castle. Hier wurde dem heutigen König Charles III. am 1. Juli 1969 in einer feierlichen Zeremonie der Titel „Prince of Wales“ übertragen.

Looking across water to Conwy castle, with boats in the harbour.

Conwy Castle, Nordwales

Auf dem Coastal Way sammeln sich die Touristen an nur wenigen Orten, wie zum Beispiel Newport. Die weiten Strecken zwischen den etwas größeren Städten gehören vereinzelten Küstenwanderern, Robben und Seevögeln. Auch am Leuchtturm von Strumble Head haben wir nur einen Einheimischen getroffen. Der Turm steht tapfer auf einer vorgelagerten Insel in der schäumenden Gischt. Ein dünner Meeresnebel zog vorbei. Sehr mystisch. Sehr walisisch!

In Pembrokeshire, dem einzigen Küstennationalpark Großbritanniens, waren wir ein paar Tage und Nächte ausschließlich auf einfachen Stellplätzen. Nach ein paar Tagen ohne Dusche haben wir uns dann nicht mehr unter Leute getraut, haben den Wales Way verlassen und sind auf den Caerfai Farm Camp Site gefahren. Der Platz hat alles, was man als zivilisierter Mensch braucht. Er liegt in der Nähe des Strandes und ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen auf dem Coast Path entlang der Küste. Leuchttürme vor Heidekraut und goldglänzender Düne, und abends kann man sich in den Gassen und Pubs des pittoresken Küstenstädtchens Tenby verlieren. Lloniannau Cymru! Prost Wales!

Vanlife im Pembrokeshire Coast National Park in Wales ist perfekt für alle, die es ein bisschen abenteuerlicher möchten. Der Park besitzt eine einzigartige Küstenlandschaft mit Klippen, Stränden und Buchten, die es zu erkunden gilt. Es gibt zahlreiche kleine und kleinste Stellplätze entlang der Küste, auf denen übernachtet werden kann. Diese Stellplätze bieten in der Regel keine Duschen oder Toiletten, dafür sind sie ruhig und abgelegen und bieten einen Blick auf das Meer, der seinesgleichen sucht. Fast, als würde man wild campen!

Der Cambrian Way ist eine der schönsten Straßen in Wales und führt mitten durch das Land. Die Strecke verbindet Llandudno im Norden und Cardiff im Süden und ist überwiegend kurvig und landschaftlich reizvoll. Der einzige Haken ist, dass die Straße an manchen Stellen sehr steil ist und es deshalb ratsam ist, sich die Motorisierung seines Vans – vor allem, wenn er geliehen ist – genau anzugucken. Gemütliche Pubs, in denen man sich mit lokalen Speisen stärken kann, sowie kleine Dörfer und Städte, in denen man Einblicke ins walisische Leben bekommt, liegen am Weg.

Eine schmale Straße mit Steinhäusern, die einen Hügel hinunterführt, mit hohen, pastellfarbenen Stadthäusern im Hintergrund.
Mwnt, Ceredigion, Mittelwales.

Idylle im Küstennationalpark Pembrokeshire

Wales kompakt: Ynys Môn – die Insel Anglesey

Welchen Tipp hast du, wenn ich nur wenige Tage für meine Wales-Reise habe?

Wenn du auf der Suche nach einzigartigen Landschaften und spektakulären Weitblicken bist, dann solltest du unbedingt eine Reise nach Anglesey (Ynys Môn) machen. Anglesey ist die größte Insel von Wales und liegt an der Nordwestküste des Landes. Sie ist das perfekte Ziel für alle, die gerne abenteuerliche Rundreisen mit dem Auto oder Van machen möchten. Die Holyhead Road führte uns entlang der Küstenlinie des Isle of Anglesey Coast Path. Auf diesem Weg kannst du malerische Strände, wilde Klippen und tolle Küstenlandschaften bewundern. Ein besonderer Anblick ist hierbei Llanddwyn Island mit dem ikonischen Leuchtturm im Westen. Hier waren wir bei Sonnenuntergang und hatten einen wunderschönen Blick auf das Meer. Die Insel wurde zu Recht gerade von Lonely Planet zum »most romantic place in whole of the UK« gewählt.

Im Landesinneren sind wir an herrlichen Blumenwiesen vorbeigefahren und haben fast peinlich kitschige Dörfer in der Gegend des Penmon Priory Klosters passiert. Außerdem gibt es auf Anglesey viele Wanderwege mit schönen Aussichtspunkten, sodass du immer wieder neue Plätze findest, um dir das Panorama anzusehen. Wales hat natürlich noch mehr zu bieten als Anglesey – aber hier findest du alles, was dein Van-, Wander- und Naturerlebnis zu etwas ganz Besonderem macht! Wenn du also nicht ganz so viel Zeit zur Verfügung hast, bist du hier genau richtig. Hier findest du Wales im Hosentaschenformat.

Anglesey, Nordwales

Camping ohne Camper? Geht!

Glamping ist in aller Munde. Habt ihr es auch schon getestet?

Wir wollten unbedingt mal eine Glamping-Unterkunft ausprobieren und sind in den achteckigen, hobbitwohnungsartigen Eco Cabins der Treberfedd Farm in Lampeter gelandet. Man glaubt, im Auenland aus Tolkiens »Der Hobbit« angekommen zu sein. Die Holzkabinen mit ihren grasbewachsenen Dächern sind einfach putzig. Sie erinnern etwas an überdimensionierte Saunen. Der Whirlpool, der vor unserer Cabin stand, tat sein Übriges für diesen Eindruck. Zum Glück war es im Inneren nicht ganz so heiß wie in der Sauna. Aber kuschelig genug, um es sich richtig gemütlich zu machen. Dann haben wir mit einem Tee in der Tasse in die grünen Hügel geschaut und gewartet, ob irgendetwas Spektakuläres passiert. – Passierte aber nichts. Außer sich zu entspannen gab es nichts zu tun.«

Blick aus einem Zimmer mit Bet und Tisch in die Landschaft.

Treberfedd Farm Lampeter, Mittelwales

Praktische Tipps für deinen Roadtrip nach Wales

Anreise

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, nach Wales zu reisen: Mit dem eigenen Van zum Beispiel mit der Fähre von Rotterdam aus nach Kingston upon Hull im Osten Englands oder von Dünkirchen oder Calais nach Dover. Wenn du nicht mit dem eigenen Camper anreisen möchtest, kannst du tolle Modelle im Land mieten. Einige Anbieter haben sogar Oldtimer im Angebot.

Oder per Flugzeug zum Flughafen Cardiff. Von Deutschland aus werden die Flughäfen Manchester, Bristol und seit Kurzem auch Liverpool direkt angeflogen – von allen dreien aus ist es nach Wales nur ein Katzensprung.

Auch mit dem Zug kommt man bequem nach Wales, zum Beispiel von London nach Cardiff. Die Zugfahrt dauert nur rund zwei Stunden.

Wenn du das erste Mal nach Wales reist, ist es wichtig zu wissen, dass Linksverkehr herrscht. An die Umstellung muss man sich erst gewöhnen. Vergewissere dich also vor allem in den Städten, wo und wie du abbiegen musst und auf welcher Straßenseite du dich gerade befindest.

In Wales gibt es derzeit keine Mautgebühren für das Fahren mit einem Camper auf den Straßen. Es gibt bestimmte Parkgebühren, die für das Parken von Wohnmobilen in bestimmten Bereichen erhoben werden können.

Das passende Campingwetter

Das Wetter in Wales kann manchmal unberechenbar sein. Egal zu welcher Jahreszeit – es kann schön und sonnig sein oder auch regnerisch und stürmisch. Wetterfeste Kleidung sollte also immer dabei sein. In den Sommermonaten ist es meist warm und sonnig – perfekt für Camping-Trips!

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